Regulation und Ko-Regulation bei Hund und Mensch
Es gibt so viel Neues zu entdecken. Gerade in der Hundewelt. Einiges ist interessant, anderes nicht so schön. Hier kommen die Dinge, die mich in der letzten Zeit inspirieren:
Ko-Regulation
Kennt Ihr das Wort? Wenn eine oder einer von Euch sich geärgert hat, und dann den Kumpel anruft und erst einmal losschimpft…. Das ist genau richtig. Denn dann versucht man sich in Ko-Regulation.
Normale Erwachsene können sich ärgern, freuen oder erschrecken – und beruhigen sich wieder. Sie regulieren sich selbst. Das ist „Selbst-Regulation“. Manche Tiere machen außerdem Ko-Regulation: Wenn etwas sehr aufregend oder anstrengend war, dann suchen sie den Kontakt zu Freunden oder Verwandten. Die Nähe zu diesen Personen hilft ihnen dann, sich zu beruhigen. Menschen und Hunde machen das auch.
Wir können also beides: Selbstregulation und Ko-Regulation. Wir nutzen jeweils, was gerade passt.
Alleine klarkommen, auch mit aufregenden Erlebnissen, das ist Selbstregulation. Sie wird in der Welpenzeit (oder Kinderzeit) gelernt. Die Fürsorge der Mutter (oder einer anderen nahestehenden Person) hilft, wenn der kleine Hund sich erschreckt hat. Sie beruhigt. Nach und nach prägt sich das Nervensystem des Welpen den Ablauf ein. Es lernt Regulation. Und schließlich kann es dies allein:
Durch die Ko-Regulation hat es Selbstregulation gelernt.
Wenn in der Welpenzeit etwas schief läuft, dann kann vielerlei Schaden angerichtet werden. War der Stress groß oder hat er angedauert – dann konnte keine Selbst-Regulation erlernt werden.
Zum Glück können wir Menschen Ko-Regulation! Wir können uns mit Hilfe anderer Menschen regulieren, und wir können unseren Hunden Ko-Regulation anbieten. Wir können ihnen helfen, aufregende Situationen zu bewältigen. Mit dieser helfenden Ko-Regulation kann auch mancher erwachsene Hund noch Selbst-Regulation erlernen.
Kindheitstrauma beim Hund
Neulich lernte ich einen Hund kennen, der als Welpe und Junghund 5 Operationen überleben musste. Egal wie gut sein Zuhause dabei ist: Solche Erlebnisse hinterlassen Spuren. Immer.
Viele Tierärztinnen wissen nichts von den Auswirkungen solcher Erlebnisse in der Welpenzeit. Sie loben den „ruhigen, gelassenen Welpen“ – und erkennen nicht, dass der kleine Hund nur aushält und versucht zu überleben. Abwehrverhalten wird bestraft.
Erst später, nach ein paar Wochen Sicherheit, kommt dann der Schaden ans Licht. Vielleicht erst in der Pubertät, wenn die hormonellen Veränderungen dafür sorgen, dass Impulse ausgelebt werden.
Solche Hunde haben Ängste, erleben vielleicht Flashbacks (plötzliche Erinnerungen, die in starken Reaktionen ausgelebt werden können), und sie haben Schwierigkeiten bei der Selbstregulation.
Hunde, die besonders viel Hilfe brauchen
Das deutsche Tierärzteblatt hat gerade die Zahlen der illegalen Tiertransporte veröffentlicht. Das umfasst natürlich nur die Transporte, die entdeckt wurden. 87 % der transportierten Tiere waren Hunde. Die Zahl steigt seit Jahren an. 2020 waren es 1054 Hunde. 2021 lag die Zahl bei 1938. Es sind meist Welpen, oft viel zu jung und in der Regel in desolatem Zustand. Ich erspare Euch die Methoden, mit denen die Hunde transportiert wurden. So gibt es zum Beispiel Tricks, um zu verhindern, dass Kot und Urin ins Auto gelangt…
Wer die Zahlen nachlesen möchte, schaue bitte: https://www.tierschutzbund.de/suche/?q=illegaler+Tierimport&tx_solr%5Bfilter%5D%5B0%5D=type%3Atx_solr_file
Hundetrainer und -trainerinnen lernen diese Hunde kennen, wenn sie bereits in ihren neuen Familien sind. Meist erst nach Monaten, da zunächst die körperlichen Erkrankungen kuriert werden mussten.
Diese Hunde haben alle ein „Kindheitstrauma“.
(Fachbegriff: „Entwicklungstrauma“).
Es ist an uns, ihnen positive Beziehungen anzubieten. Mit uns können sie „Ko-Regulation“ erleben.
Außerdem möchte ich alle Trainer und Trainerinnen ermutigen, mit kleinen Hunderassen zu arbeiten.
So können die Familien Freude mit Ihrem Hund erleben! Und sie lernen automatisch eine Menge über Hundeverhalten und Hundebedürfnisse. Wenn dann Freunde „auch so einen Hund“ kaufen möchten, dann können unsere Kunden davon abraten…
Das Leben mit Hunden ist schön – und spannend!
Seit etwa einem Jahr trainiere ich Joppi. Er war übermäßig aktiv und reaktiv, als ich ihn kennenlernte. Spazierengehen war fast unmöglich, weil er sich immer wieder in die Leine warf und alles anbellte.
Nun liebt er seine Menschen und geht sehr gerne neben ihnen. Es macht richtig Freude, ihn zu sehen. Und sie machen lange entspannte Spaziergänge durch den Wald!
In der letzten Woche habe ich getestet, ob er für eine neue, ungewöhnliche Umgebung bereit ist. Dazu sind wir in einem Gewerbegebiet spazieren gegangen. Dort riecht es seltsam, es arbeiten Maschinen, Autos und andere Fahrzeuge tauchen auf und verschwinden.
Joppi hat diese neue Umgebung sehr gut gemeistert! Er hat sehr sehr viel geschnüffelt, konnte Maschinen und Menschen betrachten – und sich wieder davon lösen. Dabei blieb er ansprechbar und gelassen. Ich war (und bin) begeistert von ihm.
Er hat gelernt, sich zu regulieren – und in schwierigen Situationen Frauchens Hilfe anzunehmen (Ko-Regulation).
Ich habe verschiedene Hundesportarten betrieben. Aber keine Sportart macht so glücklich wie das Begleiten eines ängstlichen Hundes. Zu erleben, wie ein Hund sich „ins Leben zurück“ entwickelt- das ist einfach wunderschön.
Seid Ihr neugierig auf noch mehr? Hier kommen ein Buch und ein paar Veranstaltungen:
„Hundegestützte Intervention: Wissenschaft trifft Praxis“ von Sandra Foltin
Dieses Buch hat mich überrascht. Es ist übersichtlich, außerordentlich lesbar und voller Aha-Erlebnisse. Und damit ist es definitiv nicht nur für die Leute interessant, die sich für hundegestützte Intervention interessieren! Wow.
Im Oktober rede ich im Rahmen von Trainer-Ausbildungen, daher sind die Seminare nicht öffentlich zugänglich. Aber im November und Dezember wird es interessant:
Online
2.11. „Hundeverrückt: Geist-Reich“ (Kostenlose Veranstaltung nur für hundeverrückte Menschen, Dauer: 1 Stunde)
Infos unter https://www.spass-mit-hund.de/2022-11-02-hundverrueckt-geist-reich/
Seminare in Schwerte:
12.11. Begegnungs- und Kommunikationstraining
13.11. Sozialtraining
Infos zu beiden Seminaren unter animal-team.com
Vortrag und Seminare in Kirchlinteln
2.12. Vortrag: In der Ruhe liegt die Kraft
3.12. Seminar: Deprivationssyndrom
4.12. Seminar: Der hyperaktive Hund
Infos unter: www.melcanido.de
Ich freue mich darauf, Euch dort zu sehen!
Weitere Termine auf meiner Webseite unter https://www.maria-hense.de/terminkalender
Herzliche Grüße,